Familie Raulf


Raulfs Hof in Oeventrop gehörte bis zum Verkauf an das Kloster Rumbeck im Jahre 1629 den Freiherrn von Wrede. Die Übernahme durch das Kloster stellte einen Glücksgriff für die familiengeschichtlichen Nachforschungen dar, da die Klöster gewissenhaft über ihre Verträge Buch führten und diese relativ sicher zu verwahren wussten. Laut Kessemeier verpachtete das Kloster Rumbeck im Jahre 1652 den Hof an Ludwig Hußeren, der im Weiteren dann als Ludwig Roloffs und zuletzt 1670 als Ludwig Hüßeren in Urkunden Erwähnung findet. Im Jahre 1700 schließen dann Everhardt Roloffs und Elisabeth Carthaus, Pächter von Roloffs Hof einen Ehevertrag, im Jahre 1702 Elisabeth Carthaus mit Jacob Hincken, d.h. Everhardt wird früh verstorben gewesen sein. 1709 verpachtete das Kloster Rumbeck den Hof an Jacob Raulff. Hier zeigt sich die typisch westfälische Eigenart, dass der Hofname den Familiennamen ersetzte. In späterer Zeit wurde in so einem Fall der Name als Jacob Hincken, genannt Raulf notiert. Dieser Jacob Raulf kann als Stammvater der Familie Raulf angesehen werden, da der Zusammenhang mit Ludwig Hußeren nicht eindeutig zu belegen ist.

Um die Wende zum 19. Jahrhundert wird dann ein Hermann Josef Müller gt. Raulf als Hofbesitzer genannt, bei dem ebenfalls der Familienname Müller vom Hofnamen Raulf verdrängt wurde. 1788 wird er in der Lehnsurkunde Josef Müller genannt, 2 Jahre vorher (1786) im Kirchenbuch Arnsberg bereits Josef Raulf, Sohn von Johannes Raulf und Margaretha Müller. Bei seiner 2. Ehe mit Ursula Gierse gt. Droste aus Herblinghausen heißt er dann Hermann Josef Raulf, Sohn des Johannes Raulf gt. Müller und Anna Margaretha Raulf. Dies ein schönes Beispiel, wie die Namen in den Kirchenbüchern vertauscht und verfälscht wurden. Gestorben ist er dann am 28.07.1841 als Joseph Raulf genannt Müller im Alter von 84 Jahren. Die im Kirchenbuch notierten 88 Jahre sind da zumindest relativ dicht dran. Kirchenbücher sind eben nicht in Stein gemeißelt.

Bei Raulfs Hof handelte es sich um einen der größten Höfe in den Ruhrdörfer. In den Viehschatzungen von 1773 und 1781 wurden auf ihm 4 Pferde und 10 Kühe gezählt. Nur die Glösinger Höfe Schulte vorm Walde und Hüster hatten gleich viele Tiere. In der Akte zur Aufhebung des Klosters Rumbeck von 1804 werden als Abgaben und Spanndienste, die im Zuge des Lehens dieses Hofes zu leisten waren, genannt: „jährlich zu entrichten 9 Reichstaler an Geld, 7 Mütt Roggen, 12 Mütt Haaber, 5 Mütt Gerstkorn, ein feistes Küchenschwein, 5 Hüner, 1 Werlfuhr (Karren- oder Wagenfahrt in die Stadt Werl, Anm. des Verfassers), halb Mastgeld. Nach Verlauf von 12 Jahren zu entrichtendes Gewinn-Geld: 12 Reichstaler, zum letzten Mal gewonnen 1800.“ Hermann Josef Raulf wurde nach der Säkularisation Eigentümer des Hofs und erbaute 1815 die Hofstelle neu.

Franz Arnold Raulf, ein Sohn Hermann Josefs aus seiner zweiten Ehe mit Maria Ursula Gierse gt. Droste, gründete Mitte der 1840er Jahre die Raulfsche, später Stemannsche Wirtschaft in Oeventrop. Er hatte vorher in Freienohl bereits eine Gastwirtschaft betrieben. In diesem Zusammenhang sei auf die von Dr. Wolf beschriebenen Ereignisse im Zusammenhang mit der Revolution von 1848 hingewiesen:

Nachdem die Nachricht von den revolutionären Wirren in Berlin sich auch in Freienohl herumgesprochen hatte, versammelten sich am 23.03.1848 zahlreiche Freienohler und feierten ausgiebig die durchgesetzten Reformen. Zu fortgeschrittener Stunde und unter erheblichem Alkoholgenuss kam die Idee auf, den Gemeindevorsteher aus dem Amt zu jagen, der unter Androhung von Gewalt gerne seine Abdankung erklärte. Am 24.03. kamen auch die Rumbecker auf die Idee, ein lokales Revolutiönchen anzuzetteln. Offenbar hatte der preußische Amtmann von Devivere dort jemandem „auf die Füße getreten“ und ein Trupp Revolutionäre machte sich auf den Weg nach Oeventrop. In der Raulfschen Wirtschaft hielt man sich bis zum Einbruch der Dunkelheit auf und es stießen weitere Teilnehmer zu der Unternehmung hinzu. Mit Einburch der Nacht zog der Trupp weiter nach Freienohl, wo sich die vom Vortag noch erfolgstrunkenen Freienohler dem Zug nur zu gerne anschlossen. Etwa 150 Personen begaben sich nach Bockum, wo der Amtmann von Devivere wohnte und forderten diesen zum Rücktritt auf. Der Delegation, die die Forderungen überbrachte, gehörte auch der Wirt Arnold Raulf aus Oeventrop an. Es kam dann zu einem einige Tage andauernden Hin und Her, in dessen Zuge von Devivere zurücktrat, das Militär zur Beruhigung der Lage eintraf und der Amtmann wieder eingesetzt wurde, bevor das Militärkommando am 8. April wieder abzog. Der Staat Preußen arbeitete die Ereignisse im Dezember 1848 in einem Strafverfahren auf. Die vom Oberlandesgericht zu Arnsberg festgestellten Hauptbeschuldigten, der Gutsverwalter Stein und der Ortsvorsteher Menge aus Rumbeck, wurden zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt. Sie entzogen sich dem Urteil durch Flucht ins Ausland. Auch Arnold Raulf aus Oeventrop, der als Delegierter der Revolutionäre auftrat, musste für sein Rolle in den Ereignissen ein Jahr ins Gefängnis.


Weiterführende Literatur:
Kessemeier, Carl: Die Ruhrdörfer. Arnsberg 1982.
Wolf, Manfred: Freiheit Freienohl 1272-1975. Meschede 1985.

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